23 November 2021
Lesezeit: 4 min.
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Biodiversität? „Ein in den 1980er-Jahren kreiertes Wort, um die Vielfalt des Lebens zu beschreiben … von der molekularen Ebene bis zur Ebene der Ökosysteme. Das ist ein breites Spektrum! “, erklärt Adrien Rush, Forschungsbeauftragter am INRAE (Nationales Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt) lachend.

In den Weinbergen des Bordelais zeigt sich die Biodiversität auf vielfältige Art und Weise – und in jeder Größe. Auf Makroebene anhand von Blumen, Schmetterlingen, Vögeln, Fledermäusen, Füchsen usw., auf Mikroebene anhand einer sichtbaren (Regenwürmer) und unsichtbaren Fauna (Mikroorganismen wie Milben oder Springschwänze).

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich der Schutz der Biodiversität zu einem wichtigen Anliegen der Winzer entwickelt. „Man kann den Schutz dieser Biodiversität unter zwei Gesichtspunkten betrachten“, führt Adrien Rush, der sich eingehend mit den Beziehungen zwischen der Landwirtschaft, der Biodiversität und der Funktionsweise der Ökosysteme befasst, weiter aus. „Die erste Herausforderung ist patrimonial und ökosozial – es geht darum, seltene oder symbolträchtige Arten zu schützen und die Landschaft wieder vielfältiger zu gestalten. Die zweite Herausforderung besteht darin, die Biodiversität zu schützen, da sie nützliche Funktionen für die Weinberge erfüllt, indem sie beispielsweise die Zahl schädlicher Insekten reguliert und eine gute Bodenfunktion gewährleistet.“

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Um diese beiden Herausforderungen zu meistern, haben die Bordelaiser Winzer auf ihren Anwesen vielfältige Maßnahmen zum Schutz dieser gesamten Biodiversität ergriffen.

Jessica Aubert vom Château Nodot (Saint Christoly de Blaye) hat den Schutz und die Diversifizierung der Landschaft durch die Anpflanzung von Hecken und Bäumen unterstützt; ihr Anwesen besteht heute aus acht Hektar Weinbergen und zwölf Hektar Wiesen und Wald mit einem Geflecht aus Tümpeln und Wasserstellen. Noémie Tanneau, die noch junge Eigentümerin von Château Saint-Ferdinand (Lussac Saint-Emilion), verfolgt die gleiche Logik: „Ich versuche, eine grüne Linie zwischen allen Naturräumen – Wiesen, Teichen und Bächen – zu ziehen, um eine Art Korridor für die Tiere zu schaffen.“

Die beiden jungen Frauen haben auch die späte Mahd eingeführt (zur Sommersonnenwende Ende Juni), um die Lebensräume zu schützen und „den Tieren Kost und Logis zu bieten“. „Das ist ein philosophisches Anliegen“, erklärt Jessica Aubert. „Ich versuche, die Ungleichgewichte, die durch die Monokultur des Weinbaus entstanden sind, zu reparieren.“ Noémie Tanneau „denkt auch an [ihre] 6 und 8 Jahre alten Töchter, die gerne in den Weinbergen herumrennen“. Sie arbeitet in Partnerschaft mit dem Conservatoire Botanique du Végétal d’Aquitaine, das die Flora auf dem Land erfasst.

Um die Fauna zu schützen, müssen nicht unbedingt künstliche Nistplätze oder Unterschlüpfe geschaffen werden. Vielmehr geht es darum, dafür zu sorgen, dass Tiere jeder Art in ihre natürlichen Lebensräume zurückkehren. Einige Winzer haben zwar – manchmal in Zusammenarbeit mit Imkern – Bienenstöcke oder Insektenhotels aufgestellt, doch gemäß Jessica Aubert können die Maßnahmen zur Wiederansiedlung der Fauna relativ einfach sein: „Man lässt einen Haufen Steine liegen, um Nattern Unterschlupf zu bieten, lässt Zugänge zum Dachgebälk für Fledermäuse offen und kleine Löcher in den Schuppen für Eulen und Schwalben … und wenn einen der Vogelkot stört, dann legt man eben Kartons darunter.“

Innerhalb von elf Jahren hat sie auf ihrem Anwesen spürbare Veränderungen festgestellt: Einst verschwundene Schmetterlinge sind zurückgekehrt, ebenso Nacktschnecken, Gespenstschrecken, Große Leuchtkäfer, Marienkäfer usw. „Jede Menge Arten, die vor einigen Jahren noch weitaus seltener waren.“ Gleiches hört man auch auf La Dauphine (Fronsac): „Ich habe die Entwicklung innerhalb von zehn Jahren beobachtet“, erzählt Stéphanie Barousse, die Direktorin des Châteaus. „Wir sehen mehr Tiere – Insekten, Regenwürmer, Füchse, Rehe, Eichhörnchen, Igel usw. – und eine Vielzahl von Pflanzen in den Weinbergen, wie beispielsweise Minze …“

Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Böden lebendiger sind, als ob das Leben in sie zurückgekehrt wäre. Und die Reben sind kräftiger, vitaler und weniger mickrig.

Aber natürlich darf man nicht meinen, dass die Biodiversität ein Allerheilmittel sei. „Nein, das Anpflanzen von Hecken löst nicht alle Probleme!“, warnt Adrien Rush und erinnert daran, dass der Weinbau in Bordeaux vor allem mit Krankheitserregern konfrontiert ist, die auf das gemäßigte ozeanische Klima zurückzuführen sind.

Dennoch kann der Schutz der Biodiversität eine Win-win-Strategie sein: Einige der in die Weinberge zurückgekehrten Tiere, Vögel und Mikroorganismen ernähren sich von Schädlingen und ermöglichen es, die Ausbringung von Schädlingsbekämpfungsmitteln zu reduzieren, wenn nicht sogar zu ersetzen. Arbeiten der Ligue de Protection des Oiseaux (LPO, Vogelschutzliga) haben gezeigt, dass die oft in Weinbergen zu beobachtende Zwergfledermaus sehr stark zum Rückgang der Schmetterlinge des Traubenwicklers beiträgt, die sie eifrig des Nachts verschlingt. Der Marienkäfer hingegen steht auf die Kleinzikade, einen weiteren Rebschädling. Ganz allgemein „erhöht eine artenreiche Pflanzendecke die Biodiversität (Insekten, Schmetterlinge, Bienen) und verbessert die Regulierung von Schädlingen sowie die Fruchtbarkeit der Böden“, ergänzt Adrien Rush.

Was den Boden betrifft, unterstützt die Makro- und Mesofauna die Zersetzung der organischen Substanz und setzt Nährstoffe frei, die letztlich der Pflanze helfen. Sie erhält somit die Fruchtbarkeit der Böden aufrecht, trägt zum Abbau von Schadstoffen bei, sichert die Wasserreserven usw. Dem Winzer bietet sie im Weinbau also eine ganze Reihe von Vorteilen.

 

Angesichts dieser großen Herausforderung integriert die Weinschule von Bordeaux in die meisten ihrer Schulungen Beispiele für Initiativen für den Schutz der Biodiversität in den Weinbergen. Schauen Sie sich die komplette Liste der Schulungen unserer zugelassenen Ausbilder an oder rufen Sie die App OenoBordeaux auf und entdecken Sie unser Modul „Ein engagiertes Weinbaugebiet“.

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